Felix C Seyfarth, Claudia Bremer
S. 259 - 274 in: Die offene Hochschule: Vernetztes Lehren und Lernen, Münster: Waxmann
Publication year: 2016

Im Kontext aktueller Herausforderungen spielen Hochschulen eine Schlüsselrolle bei der effizienten Integration von studierwilligen Flüchtlingen in Bildungssystem und Arbeitsmarkt. Auch wenn geeignetes Informationsmaterial reichlich vorhanden ist, so erfordern die stark heterogenen Bildungsbiographien und Sprachkenntnisse von Flüchtlingen jedoch meist individuelle Beratungen zu Studierfähigkeit, Bildungswegen und Zulassungsvoraussetzungen. Aufgrund dieser Bedarfe treten seit Herbst 2015 in Auslandsämtern und Fremdsprachenzentren deutscher Hochschulen erhebliche Engpässe auf. Um zielgruppengerecht auf diese länder- und institutionenübergreifenden Bedarfe zu reagieren zu können, eignen sich standortunabhängige Onlineangebote mit Kurscharakter. Sofern solche Angebote Absolventen in die Lage versetzen, zu einer realistischen Selbsteinschätzung von Studienfähigkeiten und geeigneten Ausbildungsplänen zu gelangen, können sie dazu beitragen, die Bedarfe nach Erstberatungen an den Hochschulen zu reduzieren. Solche Onlinekurse können Lernbedarfe von Flüchtlingen national skalieren und ermöglichen durch entsprechend große Teilnehmerzahlen auch gezielt passende Lerngruppen zusammenzustellen. Inhaltlich prädestinierte Akteure zur Umsetzung solcher Angebote auf Bundesebene (z.B. DAAD, Bundesagentur für Arbeit) verfügen jedoch selbst nicht über notwendige didaktische und technische Expertisn oder erforderliche Betreuungsressourcen für die Entwicklung und Durchführung eines entsprechenden Online-Kursformates; die Umsetzung solcher digitalen Lehr-/Lernformate setzt deshalb die Kooperation verschiedener Bildungsakteure voraus. Der folgende Beitrag stellt den in einer solchen Kooperation im WS 2015/16 im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit entwickelten Onlinekurs “Ready for Study” vor: ein bundesweit verfügbares studienvorbereitendes Weiterbildungsangebot für Flüchtlinge in Deutschland.
Produziert unter Federführung der Leuphana Universität in Kooperation mit der Gesellschaft für akademische Studienvorbereitung und Testentwicklung (g.a.s.t) e.V. und dem Interdisziplinären Kolleg Hochschuldidaktik der Goethe-Universität Fran¬furt ist das Projekt ein Beispiel für anlaßbezogene Zusammenarbeit von Akteuren der deutschen Hochschullandschaft. Anfang 2016 wurde der im sog. Mentored MOOC-Format angebotene Kurs mit 1.200 registrierten Teilnehmenden pilotiert. Ziel war speziell für eine heterogene Großgruppe ausländischer Studienbewerber innerhalb eines überfachlichen Vorkurses die zu klassischen curricularen Inhalten komplemen-tären studienrelevanten Reflexions- und Handlungskompetenzen zu vermitteln. Der Kurs bitete online (und somit flächendeckend für die Bundesrepublik) ein individueller Studienberatung vergleichbares Selbstlernangebot: Kursteilnehmer können sich auf Studienbedingungen an deutschen Hochschulen vorbereiten, einen Überblick über das deutsche Hochschulsystem und Studienangebote gewinnen, konkrete Bewerbungsverfahren trainieren und flankierend Sprachkenntnisse vertiefen. Darüberhinaus werden propädeutische Fähigkeiten zum wissenschaftlichen Arbeiten vermittelt, so dass Teilnehmer lernen, eigene Studienfähigkeiten als Ausgangspunkt für konkrete Folgemaßnahmen fundiert zu reflektieren. Das gebündelte Erfahrungswissen der Projektpartner (u.a. in den Bereichen eLearning Didaktik, Online-Vermittlung von Deutsch als Fremdsprache, Peer-Learning und Peer-Assessment sowie Mentoring) ermöglichte die Entwicklung einer problembasierten, produktorientierten Didaktik für heterogene Arbeitsgruppen flankiert mit individuellen Übungen für den Spracherwerb.
Die Evaluation des vorgestellten Pilotformates zeigt Möglichkeiten für die kooperative Entwicklung von anlassbezogenen, inhaltlich getriebenen und lernerzentrierten Formaten der digitalen Erwachsenenbildung auf. Erste Evaluationsergebnisse verweisen perspektivisch auf Einsatzszenarien solcher emergenten Kursformate in der deutschen Hochschullandschaft über die aktuelle Flüchtlingskrise hinaus, z.B. als propädeutische Vorkurse in nachfrageschwachen Studiengängen, als hochschulübergreifende interdisziplinäre Lernangebote, für ad-hoc Weiterbildungsangebote oder als Instrumente für das internationale Studierendenmarketing.

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